Samstag, 16. Oktober 2010

"Eigentlich" sind wir konsequent

„Eigentlich“, nach Duden früher in der Bedeutung (leib-)eigen, als Adverb „eigenliche“ auch schon “ausdrücklich, bestimmt“, heute definiert als „ursprünglich, wirklich, genaugenommen“. „Eigentlich“ begegnet uns Qualitätern fast immer als erste Stufe der Verneinung. Wer auf die Frage nach seiner Arbeit die Antwort mit „eigentlich“ beginnt, meint, dass er es nach Vorgabe irgendwie tun solle, es sich aber (für ihn!) anders als besser erwiesen hat. Das kann sogar hinzunehmen sein, weil im Rahmen des KVP ja auch die Vorgaben angepasst werden. Es kann aber auch sein, dass die Vorgaben der Leitung/des QM nicht als sinnvoll akzeptiert, auch nicht anders durchgesetzt und daher außer acht gelassen werden. Gehäuftes „eigentlich“ ist also immer als Alarmzeichen zu sehen. „Eigentlich dürfen Sie hier nicht stehen“ sagt der Wachtmeister zum Kurierfahrer, der in der zweiten Reihe hält um „nur eben schnell eine Sendung ab(zu)geben“. Selbstverständlich wird auf das Bußgeld verzichtet, machen ja alle so, und der arme Mann muss ja auch nur sein Geld verdienen, wer riskiert schon, von den (gemeinsam golfenden?) Vorgesetzten abgemahnt zu werden? Wer im Stau auf der verengten Fahrbahn steht, hat da einen anderen Eindruck. Wer berücksichtigt, wie aufwändig Straßen geplant, gebaut und instandgehalten werden (nur um dann in der Hauptverkehrszeit als zweiter Parkstreifen missbraucht zu werden) bekommt noch einen anderen Blick. Hier zeigt sich, dass „eigentlich“ heute oft bedeutet, es kostet mich ja nichts – im Zweifel aber die anderen. „Eigentlich müssen Sie sich hier in die Liste eintragen“ sagt der Wachmann. Was sagt sein Chef, der in Folge ggf. wegen Organisationsverschulden dran ist? „Eigentlich dürfen wir ja auch im Sommer nicht in Sandalen fahren“ – und was hat der LKW geladen? „Eigentlich …“ - dahinter verbirgt sich stets das gleiche mangelnde Problembewusstsein.

„Eigentlich“ gibt es immer dann, wenn die eher unwahrscheinlichen, aber möglichen Folgen von Anderen zu tragen sind. Dagegen ist im Rahmen von Vorbeugemaßnahmen und Risikomanagement nur mit konsequenter Schulung und Aufklärung anzukommen. Das Verstehen, warum etwas in vorgegebener Art und Weise zu geschehen hat, ist zwar nicht hinreichende, aber dennoch notwendige Voraussetzung. Die Privat-FMEA der potenziellen Regelverstoßer muss eine abschreckend hohe Risikopriorität aus Bedeutung des Fehlers, Entdeckenswahrscheinlichkeit und in persönlicher Verantwortung spürbarer Konsequenz zur Folge haben. Nur dann ergibt sich das vom Meister über den Werker zum Lehrling weitergeraunte „Mensch, kannst’e doch nich’ machen!“ das stets wirkliches Problembewusstsein anzeigt. Damit es nicht heißt: „Eigentlich soll die Kühlkette nicht unterbrochen werden“ – und man nicht weiß, war das nun der Ingenieur aus der Molkerei oder dem Kernkraftwerk?
Na dann … (kb)
www.DGQ.de

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