Sonntag, 21. August 2011

Ups, wenn mal was daneben geht ...

Irren ist menschlich - und wo Menschen arbeiten, da passieren Fehler. Doch wie ein Unternehmen damit umgeht und wie die Menschen und die Organisation daraus lernen, das ist höchst unterschiedlich. Dabei können gutes Fehlermanagement und eine passende Kultur nicht nur Geld und Zeit sparen, sondern auch die Mitarbeiterzufriedenheit erhöhen. Damit einem das nächste "Ups, mir ist da gerade was passiert" nicht im Halse stecken bleibt.

Wenn der Chef durch die Büros läuft und die Mitarbeiter sich hinter ihren Bildschirmen ducken - dann liegt was in der Luft. Vielleicht weiß die Mannschaft bereits von einem Fehler, der sich demnächst nicht mehr vertuschen lassen wird -, und ahnt das darauf folgende Donnerwetter vom Chef voraus ... Glücklich derjenige, der sich dann gerade möglichst weit weg vom tobenden Vorgesetzten in Deckung befindet. Gutes Fehlermanagement sieht zwar anders aus, allerdings gibt der kurzfristige Erfolg dem Chef Recht. Denn tatsächlich machten Menschen nach der Sanktion eines Fehlers zunächst weniger Fehler, sagt Christiane Tantau, Geschäftsführerin von Tantau Coaching & Training in Hamburg. Doch das hat seinen Preis. Denn nach einer Sanktion wird der Mitarbeiter nicht nach kreativen, neuen Wegen suchen, um das System dahingehend zu verbessern, dass künftig weniger Fehler entstehen. Vielmehr ist er einseitig auf die Fehlervermeidung und nicht auf die Aufgabe konzentriert, und es baut sich die Angst vor einem Fehler auf. Und Angst lähmt bekanntlich. Da es die Menschen gewohnt sind Fehler zu vermeiden, so Tantau, setzt konstruktives Fehlermanagement zunächst bei einer Veränderung der Wahrnehmung von Fehlern an, und zwar bei der Fehlerakzeptanz. Eine solche grundsätzlich geänderte Einstellung muss Teil der Unternehmenskultur sein, so Tantau. Gerade Unternehmen aus der Fertigungsindustrie haben diesen Gedanken frühzeitig aufgenommen.


Verbesserung gehört zur Unternehmensphilosophie

Eines der bekanntesten Unternehmen, das den kontinuierlichen Verbesserungsprozess lebt, ist sicherlich Toyota. Der Autokonzern führte das Kaizen genannte System (kai = Veränderung und zen = zum Besseren) bereits vor vielen Jahrzehnten ein. Der japanische Begriff hat längst auch Eingang in die westliche Managementliteratur gefunden. Dabei handelt es sich nicht nur um einen Prozess zur Produktverbesserung, sondern auch zur Verbesserung aller betrieblichen Prozesse. "Kaizen ist eine spezielle Methode, die ein Problem im Kern anhand von fünf Warum-Fragen untersucht", sagt Andrea Dickmann, Manager Business Process Improvement bei der Toyota Kreditbank. Erst nach einer gründlichen Analyse des Missstands werde nach Lösungen für das Problem gesucht, die dann systematisch getestet werden. Überzeugt ein Lösungsvorschlag, so wird er implementiert. Die Ausgangsfrage, die sich der einzelne Mitarbeiter stellt, ist also, "was stört mich am Ablauf, wo läuft etwas nicht reibungslos?". Dann kann sich ein Team aus den beteiligten Fachbereichen für ein Kaizen zusammensetzen. Das System setzt neben einem kooperativen Führungsstil auch eine funktionsübergreifende und interdisziplinäre Zusammenarbeit in Gruppen als einen Grundsatz der Arbeitsorganisation voraus.

30 bis 45 Kaizen-Aktivitäten gibt es im Jahr in der Toyota Kreditbank. Die besten Ergebnisse werden in einem jährlichen Kaizen-Wettbewerb gekürt. Sieger ist, wer die Methode am saubersten angewendet hat. Die Gewinner erhalten einen Wanderpokal und nehmen auf der europäischen Ebene an dem Wettbewerb teil. "Ein kleines Kaizen, bei dem 1 Euro gespart wird, ist genauso wertvoll wie eines, bei dem die Kosten um tausende von Euro reduziert werden", sagt Dickmann, denn der Prozess sei Bestandteil der Unternehmenskultur. Dazu gehört auch, dass die Zeit- und Geldersparnisse durch Kaizen ausgewiesen werden. "Kaizen ist der Regelfall, nicht der Sonderfall", erläutert Dickmann. Probleme seien demnach nichts Schlechtes, sondern werden akzeptiert und fordern den Mitarbeiter heraus, genau hinzuschauen. "Nach der Kaizen-Philosophie ist ein Tag ohne Probleme kein guter Tag", so Dickmann.

Fehler bieten Chancen zur Verbesserung der Prozesse

Die Chance zur Verbesserung sieht auch Matthias Krieger, Geschäftsführer des Baudienstleisters Krieger + Schramm, in Fehlern. Das hat die Sichtweise auf Kundenreklamationen verändert. Am Ende des vierstufigen Reklamationsprozesses steht auch der Dank an den Kunden, dass er das Unternehmen auf "das Leck" im Prozess aufmerksam gemacht hat. Zuvor steht die Aufnahme der Beschwerde, die schnellstmögliche Mängelbeseitigung mit dem Ziel, den Kunden wieder für sich einzunehmen und zurückzugewinnen - und anschließend die Dokumentation der Reklamation. Doch nicht nur mit von außen, durch den Kunden gemeldeten Fehlern wird aktiv reagiert, auch die Mitarbeiter werden intern dazu angehalten, auf Missstände, Mängel und eben Fehler hinzuweisen. "Wenn Fehler nicht gemeldet werden, kommt das Unternehmen keinen Schritt weiter", sagt Krieger. Doch derselbe Fehler soll nicht zwei Mal gemacht werden. "Das brauchen wir nicht", sagt Krieger. Deswegen sollen die Mitarbeiter auch eine Lösung erarbeiten, wie der Fehler künftig vermieden werden kann, und wenn es sich um so eine Kleinigkeit wie fehlendes Druckerpapier handelt. Die Lösungen für die Probleme werden mit einer Geldprämie belohnt und außerdem im Mitarbeitermagazin veröffentlicht.

Doch bevor in seinem Unternehmen mit Fehlern so offensiv umgegangen werden konnte, musste viel Vorarbeit geleistet werden: "Die Basis für eine Fehlerkultur ist eine Vertrauenskultur", ist Krieger überzeugt. Und die müsse über Jahre aufgebaut werden. Denn nur mit einer Vertrauenskultur könne eine emotionale Verbindung der Mitarbeiter zum Unternehmen erreicht werden. Und es sind gerade die emotional an die Organisation gebundenen Mitarbeiter, die rund 40% mehr Anregungen ins Unternehmen einbringen als emotional ungebundene Mitarbeiter, wie der Gallup Engagement Index 2010 zeigt.

Im Schnitt können Unternehmen drei bis fünf Jahre mit dem Aufbau einer Vertrauenskultur zubringen, bevor sie mit der Implementierung von Managementtools zum Umgang mit Fehlern beginnen sollten. Denn ohne das richtige Fundament seien die zahlreichen Software-Tools zum Fehlermanagement nicht einführbar, ist Kriegers Erfahrung. Heute werden in seinem Unternehmen bei der Fehleranalyse und -behebung bestimmte Werkzeuge wie der "talking stick" eingesetzt, der eine wertschätzende und lösungsorientierte Kommunikation sicherstellen soll.

Die Einführung einer Fehlerkultur ist Chefsache

Funktionierende Kommunikationsstrukturen sieht Susanne Ollmann, Mitglied der Geschäftsleitung bei Aengevelt Immobilien, ebenfalls als notwendig für ein Fehlermanagement an. Darüber hinaus sei es noch wichtig, dass das Unternehmen einen Überblick über die wichtigen Wirkprozesse und damit die möglichen Folgen aus Fehlern in verschiedenen Bereichen hat und außerdem prognostizieren kann, welche Fehler wo auftauchen könnten, um Risiken zu minimieren. Fehlermanagement umfasst für Ollmann deswegen auch Risiko-, Qualitäts- und Wertemanagement sowie den Bereich Aus- und Weiterbildung. Es geht um ein ganzheitliches Befähigungskonzept des Einzelnen im Unternehmenssystem. Gerade in dem provisionsgetriebenen Maklergeschäft, in dem jeder einzelne Mitarbeiter an einem raschen Abschluss interessiert ist, sei es nicht einfach, neue Strukturen zu etablieren. Besonders günstig hat sich in der Praxis erwiesen, wenn das Qualitätsmanagement offensichtlich die Prozesse der Mitarbeiter unterstützt und sie schneller und näher an den Kunden bringt. Das ISO-zertifizierte Unternehmen hält regelmäßig interne Audits ab. Zudem gibt es in jedem Team Coaches, die den Mitarbeitern bei Fragen helfen. Sie ist mit zwei weiteren Führungskräften für das Qualitätsmanagement zuständig - quasi als neutrales Regulativ, das außerhalb des Kernprozesses steht. Eine Konstellation, die für eine niedrigere Hemmschwelle sorgt.

Das ist eine wichtige Stellschraube bei der Einführung der neuen Fehlermanagmentprozesse - auch und vor allem die Führungsebene muss mitmachen, betont Christiane Tantau: "Wenn es oben nicht vorgelebt wird, wird es unten nicht gemacht." (sma)
Quelle: IZJobs.de

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