Sonntag, 12. Dezember 2010

Teure Fehler vermeiden

Wenn ein Produkt fehlerhaft ist oder jemand gegen Regeln verstößt, kann es teuer werden. Unternehmen versuchen mit verschiedenen Compliance-Programmen, dem vorzubeugen.


Mitten in die Erfolgsmeldungen aus der Automobilindustrie platzte mal wieder eine Negativnachricht. Nicht nur Toyota und Mercedes stellten zuletzt Mängel an ihren Fahrzeugen fest, auch BMW musste Anfang Oktober weltweit deutlich mehr als 300.000 Pkw zurückrufen, ein Großteil davon in den USA, wegen Problemen mit den Bremsen.

Spätestens bei solchen Fällen zeigt sich, ob die Compliance-Maßnahmen eines Unternehmens fruchten oder nicht. Denn wenn Produkte fehlerhaft sind, oder Mitarbeiter gegen Gesetze verstoßen, kann das für Unternehmen teuer werden. Deshalb gilt es, so früh wie möglich dafür zu sorgen, dass die Qualität stimmt und die geltenden Regeln eingehalten werden.

Obwohl der Börsenkurs absackte, sieht man die aktuelle Panne bei BMW relativ gelassen. Aufgrund der kontinuierlichen Qualitätskontrollen seien immer weniger Fahrzeuge der Gruppe von einem Rückruf betroffen - ein Zeichen dafür, "dass unser Qualitätsmanagement funktioniert", heißt es in der Konzernzentrale. "Die Zahl der Kundenanschreiben ist in den letzten fünf Jahren rückläufig", bestätigt Konzernsprecher Frank Strebe. Auch Imageschäden fürchten die Münchner angesichts der Negativschlagzeilen nicht. Die Kunden würden sogar anerkennen, dass der Konzern versuche, Probleme zu lösen, sagt Finanzchef Friedrich Eichiner.

"Fehlerbeseitigungsprozess verstärkt die Kundenbindung"

Robert Schmitt, Professor im Laboratorium für Werkzeugmaschinen und Betriebslehre (WZL) der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) in Aachen, teilt diese Einschätzung: "Studien haben gezeigt, dass ein offensiv, transparent und konstruktiv durchgeführter Fehlerbeseitigungsprozess die Kundenbindung verstärken kann", erläutert Schmitt: "Dies umso mehr, wenn die Rückrufaktion mit den Firmenwerten übereinstimmt."

Voraussetzung ist, dass das System funktioniert. "Untersucht man die Bilanzen der Hersteller, so lässt sich die Größenordnung der Kosten für das Produktrisiko mit etwa drei bis sieben Prozent des Umsatzes abschätzen", sagt Schmitt. Mit Blick auf die Umsatzrendite der Automobilindustrie ist das eine beträchtliche Summe. Damit liegen die Kosten etwa gleichauf mit denen für Forschung und Entwicklung, in einigen Fällen sogar darüber. Den größten Anteil dürfte laut Schmitt der Bereich der vertraglichen Haftung einnehmen, also Gewährleistungs- und Kulanzkosten.

Garantieleistung und Produkthaftung sind indes nur ein Teil der Legal Compliance. Damit bezeichnet man die Einhaltung von Gesetzen und Richtlinien, aber auch von freiwilligen Verpflichtungen. Die OECD-Leitsätze für multinationale Firmen verlangen von Topmanagern, dass sie geltende Gesetze, Bestimmungen und Verwaltungspraktiken befolgen sowie Standards etwa zum Schutz von Umwelt, öffentlicher Gesundheit und Sicherheit beachten. So sollen Unternehmen in die Pflicht genommen werden, einen Beitrag zu nachhaltiger Entwicklung zu leisten.

Halten Manager die Verpflichtungen stringent ein, verringern sie ihr persönliches Haftungsrisiko. "Viele Unternehmen glauben allerdings, die wachsende Anzahl von Umwelt- und Arbeitsschutzvorschriften und die damit verbundene Zunahme von Haftungsrisiken allein durch die Installation einer Compliance-Organisation bereits im Griff zu haben", sagt Ulrike Theußen, Beraterin der unabhängigen Stiftung Det Norske Veritas (DNV). Das Unternehmen hilft Kunden beim Aufbau und bei der Verbesserung ihrer Compliance-Programme.

Schaut man sich die Compliance-Leitlinien mancher Konzerne an, fällt auf, dass der Schwerpunkt der Aktivitäten auf Früherkennung und Verhinderung von strafbaren oder ordnungswidrigen Handlungen gelegt wird. Dazu gehören Korruptionsbekämpfung oder Kartellrecht. Ein Compliance-Programm ist aus Sicht von Theußen allerdings nur wirksam, wenn es nicht nur auf die Einhaltung von derlei Grundsätzen abzielt: "Vielmehr sind Aktivitäten erforderlich, die sicherstellen, dass alle für den Konzern geltenden gesetzlichen Vorschriften, also auch Umwelt- und Arbeitsschutzvorschriften, eingehalten werden."

Letztlich könnten jedoch nur jene Regeln umgesetzt und deren Einhaltung überwacht werden, die im Unternehmen bekannt sind. "Die Kenntnis über die aktuelle Rechtslage ist somit eine Präventionsmaßnahme zur Vermeidung von Fehlverhalten beruhend auf Unwissenheit oder Fahrlässigkeit der Mitarbeiter", erläutert Rechtsanwältin Theußen.

Unternehmen sparen bei Compliance am falschen Ende

Nach Angaben der Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) fügten wirtschaftskriminelle Handlungen wie Betrug, Untreue, Korruption oder Wettbewerbsdelikte den deutschen Unternehmen allein 2009 Schäden von durchschnittlich 5,57 Mio. Euro zu. Von 500 befragten Unternehmen gaben zudem gerade einmal 44 Prozent an, über ein Compliance-Programm zu verfügen; die Mehrheit besaß also keines. "Die Einführung ist zwar mit Kosten verbunden", sagt Theußen: "Aber das Argument des hohen Kostenaufwands wird vor Gericht wohl kaum eine adäquate Verteidigung darstellen."

Beispiele gibt es genug, seien es die Datenschutzskandale bei Deutscher Bahn und Deutsche Telekom oder die Korruptionsaffäre bei Siemens. Neben den wirtschaftlichen Schäden, bei Siemens sind diese milliardenschwer, sorgten die Vorfälle auch für eine immense Verunsicherung bei Unternehmen und Kunden. Siemens reagierte darauf, indem der Konzern sich ein neues Compliance-Programm auferlegte und zudem die Zahl der Compliance-Mitarbeiter um ein Siebenfaches erhöhte.

Als eines der ersten Unternehmen hat der Ludwigshafener Chemiekonzern BASF bereits 2002 die Stelle eines Chief Compliance Officer eingerichtet. Rund 100 Compliance-Beauftragte weltweit unterstützen die Umsetzung des Programms. Zudem berichten leitende Mitarbeiter einmal jährlich, wie die Verhaltensrichtlinien eingehalten werden. "Deutsche Unternehmen haben lange Zeit ausschließlich darauf gesetzt, ihre Mitarbeiter über geltende Gesetze aufzuklären", sagt Eckart Sünner, seit 2006 Chief Compliance Officer bei BASF: "Amerikanische Unternehmen haben ihre Compliance-Programme in den 1990er-Jahren aufgelegt, weil ihnen das US-Justizministerium dafür bei Verstößen Strafmilderung versprach."

Das Engagement im Feld der Compliance wirke sich nicht unbedingt direkt auf den Umsatz aus, trage aber ganz wesentlich zum Vertrauen von Stakeholdern in BASF bei, zeigt sich Sünner überzeugt: "Wenn sich ein Entscheider von Geschenken eines Anbieters und nicht von dessen Preis und Leistung beeinflussen ließe, dann wäre das zum Schaden von BASF."
Wissen.de

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