Freitag, 5. März 2010

Produktionsneid

Mit meinen beiden (linken) Händen kann ich zwar leidlich tippen, aber sonst sind sie nicht sonderlich produktiv - ich bin eben ein Schreibtischtäter. Im Gesundheitswesen muss man zwar bisweilen auch handgreiflich werden, aber normalerweise wird nichts produziert und somit habe ich herzlich wenig Erfahrung damit, wie man tatsächlich mal Sachen herstellt. Fernsehreportagen vom Typ "Sendung mit der Maus" (sowie die eher weniger anspruchsvollen "Reportageformate" im Privatfernsehen) faszinieren mich deshalb unendlich. Ach herrje, wie kommt die Mine in den Bleistift? Zweitausend Schnitzel gleichzeitig panieren? Goldbarren backen, Apfelkuchen gießen (oder war es anders herum?), Pinökel justieren, Teebeutel füllen, Isolierfenster bauen oder Blinkerrelaisspulen wickeln?
 Kein Problem, es gibt irgendwo auf der Welt Fachleute dafür. Meine Damen und Herren aus der Produktion, ich bewundere Sie! Und ich beneide Sie auch ein wenig, denn Sie haben am Ende Ihrer Prozesse tatsächlich mal ein messbares Ergebnis. Sie können die Sesamkörner und mit etwas mehr Aufwand auch die Mohnkörner auf Ihrer Schrippe zählen, oder die Durchlässigkeit der kugelsicheren Weste testen. Sie haben Mikroskope, Sensoren und Testpiloten. Es gibt Messprotokolle, Rückstellproben und natürlich den guten alten Selbstversuch (wobei sich der mit den kugelsicheren Westen nicht wirklich empfiehlt, habe ich mir sagen lassen).
Im Gesundheitswesen hat man dagegen ständig das Problem, dass sich die Ergebnisse hartnäckig einer Objektivierbarkeit entziehen. Der Volksmund fasst es so zusammen: "Operation gelungen, Patient tot". Neulich habe ich eine Diskussion verfolgt, wie man auch in der Medizin messbare Indikatoren für Ergebnisqualität etablieren könnte - am Beispiel des Blutdrucks. Der sollte doch leicht messbar sein und somit Vergleichbarkeit schaffen - doch leider sind nun mal die Patienten fern jeder Normung. Ein Hausarzt in einem Villenviertel wird es schaffen, durch Anwendung der aktuellsten Leitlinen den durchschnittlichen Blutdruck seiner Patienten um soundsoviel Millimeter zu senken, dagegen wäre sein Kollege im Nachbarviertel vielleicht schon glücklich, wenn seine Patienten tatsächlich mal regelmäßig zum Blutdruckmessen kommen würden. Wer leistet nun bessere Arbeit? Äpfel oder Birnen...
Noch schwieriger ist es, wenn der Kunde (also Patient) die Leistung unter völlig anderen Kriterien beurteilt als der Anbieter. Ich erinnere mich an langwierige Diskussionen mit Patienten, die lieber in das nahegelegene Krankenhaus wollten, statt in ein weiter entfernt liegendes, das aber über die notwendigen Geräte für eine bessere Behandlung verfügt. Und es mittlerweile auch nachgewiesen, dass Ärzte mit guten zwischenmenschlichen Kontakten bei gleicher Fehlerquote weniger oft verklagt werden...
Ich hoffe, Sie verstehen also meinen Produktionsneid ein wenig. Denken Sie mal daran, wenn Ihre Kunden besonders pingelig bei der Wareneingangsprüfung sind: schließlich haben sie was zu messen, und sie messen mit der gleichen Skala wie Sie.

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